Samstag, 24. September 2016

Trauma und Dissoziation bei Kindern und Jugendlichen

Vortrag 4

09.30 – 10.00 Uhr

Das "zersplitterte Selbst” des Kindes heilen: das "Star Theoretical Model (STM)" zur Diagnostik und Behandlung dissoziativer Kinder

Frances S. Waters, DCSW, LMSW, LMFT


Abstract:
In meiner Präsentation möchte ich mein Konzept "Star Theoretical Model" (STM) vorstellen, welches fünf Theorien - Bindung, Neurobiologie, Dissoziation, kindliche Entwicklung und Wissen um Familiensysteme - in sich vereint. Diese fünf Theorien in Kombination erklären die Entwicklung und Behandlung dissoziativer Prozesse und Störungen von Kindern und Jugendlichen. An der Spitze der "Stern-Formation" steht die Bindung, die von überragender Bedeutung ist. Der Bindungsstil des Kindes zu seinen Eltern / Bezugspersonen trägt zu Dissoziation bei oder kann andererseits die Grundlage bilden zur Heilung des Kindes. Ich beziehe mich in erster Linie auf Bowlby (1980), den Begründer der Bindungstheorie, und auf seine Forschungen hinsichtlich von ihren Müttern getrennten Kindern, die dissoziative Symptome zeigten. In meinem Modell ziehe ich einen Vergleich zwischen Bowlbys psychosozialen Stufen von Verlust und Trauer mit Kindern, die andere traumatische Erlebnisse erlitten haben. Ergebnisse gegenwärtiger Bindungsforscher werden in meinem Modell erklärt.

Bezüglich der Neurobiologie von Trauma und Dissoziation werde ich in meinem Modell die gegenwärtige Forschung hinsichtlich der Beeinträchtigung des Gedächtnisses beschreiben. Ich möchte Porges´ Forschungen der "drei Regelkreise des autonomen Nervensystems” (Porges 2011), die Auswirkungen von Trauma auf das sich entwickelnde Gehirn des Kindes (Perry u. a.,1995) und den Einfluss der Spiegelneurone (Casile, Caggiano und Ferrari, 2011) hervorheben, um unser Verständnis der Dissoziation bei Kindern und der Entwicklung von voneinander getrennten Persönlichkeitsanteilen (States) zu erweitern. Verschiedene Theorien zur Dissoziation (z.B. Putnam. 1997) werden vorgestellt. Ich werde aufzeigen, wie diese meine psychotherapeutische Arbeit beeinflusst haben. 
Hinsichtlich der Theorie zur Entwicklung des Kindes möchte ich mein Vergleichsmodell zu Eriksons psychosozialen Stufen der Entwicklung beschreiben. Mein Modell integriert Theorien zu Trauma und Dissoziation und trägt zum erweiterten Verständnis der Auswirkung von Trauma auf die kindliche Entwicklung bei. 


Schlussendlich beziehe ich mich auf Virginia Satirs Theorie des Familiensystems (1983), welches schädigende Interaktionsmuster zwischen den Familienmitgliedern beschreibt. Satirs Theorie zeigt auf, dass das Kind, welches in der Praxis als Klient/Klientin bzw. Patient/Patientin vorgestellt wird, häufig auf eine dysfunktionale Familie reagiert. 


Der hier vorgestellte integrative theoretische Ansatz intendiert, den Erfolg in der Diagnostik und im Behandlungsprozess von Kindern und Jugendlichen zu fördern.

  • Bowlby, J. (1960). Grief and mourning in infancy and early childhood. Psychoanalytic Study of the Child, 15, 9–52.
  • Bowlby, J. (1980). Attachment and Loss, Vol. 3: Loss, Sadness and Depression. New York, NY: Basic Books.
  • Casile, A., Caggiano, V., & Ferrari, P. F. (2011). The mirror neuron system: A fresh view. The Neuroscientist, 17(5), 524–538. Retrieved from www.ncbi.nlm.nih.gov
  • Erikson, E. H. (1963). Childhood and society (2nd ed.). New York: W.W. Norton.
  • Perry, B. D., Pollard, R., Blakely, T., Baker, W. L., & Vigilante, D. (1995). Childhood trauma, the neurobiology of adaptation and use-dependent development of the brain: How states become traits. Infant Mental Health Journal, 16(4), 271–291.
  • Porges, S. (2011). The polyvagal theory: Neurophysiological foundations of emotions, attachment, communication and self-regulation. New York: W.W. Norton.
  • Putnam, F. W. (1997). Dissociation in children and adolescents. New York: Guilford.
  • Satir, V. (1983). Conjoint family therapy (3rd ed.). Palo Alto, CA: Science and Behavior Books.

Abstract (engl.) | Kurzbiografie

Vortrag 5

10.00 – 10.30 Uhr

Wie hast Du das überlebt? Ressourcenorientierte Therapie nach einem Entwicklungstrauma, am Beispiel der Methode der Integration traumaassozierter Selbstanteile.

Elke Garbe

Abstract: Anhand einer Simulation von Abschnitten aus einer Therapie mit einem entwicklungstraumatisierten Kind, soll die Methode der Integration traumaassoziierter Selbstanteile vorgestellt und in Ansätzen praktisch nachvollziehbar gemacht werden. Diese Methode ermöglicht es, mit dem Kind aus einer Metaperspektive unter Würdigung seiner Ressourcen sich der traumatischen Erfahrung im Sinne der Verarbeitung so zuzuwenden, dass es nicht zu Retraumatisierungen kommen kann. Das Benutzen von kreativem Material macht anschaulich aber distanziert deutlich, dass hier und heute aus einer Position der Sicherheit auf das Dort und Damals unter der Perspektive des überlebt Habens geschaut werden kann. Wobei Überlebensstrategien als Ressourcen, bzw. als Ichstärken verstanden werden.

Vortrag 6

11.00 – 11.30 Uhr

Überlebensstrategie Dissoziation bei häuslichen und anderen Gewalterfahrungen

Lutz Besser

Abstract: Wie bei Kindern und Jugendlichen durch Traumatisierungen in Form von Vernachlässigung, emotionaler Misshandlung, körperlicher Gewalt, sexueller Ausbeutung und sexueller Misshandlung diese erschreckende Realität zum Ausstieg aus derselben zwingt. "Als wäre ich ein Anderer oder ein Geist, der auf sich selbst herunter schaut" – charakterisiert als Slogan das Phänomen der Abspaltung unerträglicher Erlebnisse vom Bewusstsein. Um Angst, Schmerz und Leid erträglicher zu machen, ist ohne Schutz von Außen der Ausstieg aus der Realität oft der einzige Überlebensmechanismus.

Im Vortrag sollen die verschiedenen dissoziativen Phänomene bei traumatisierten Kindern und Jugendlichen anhand physiologischer und neurobiologischer Aspekte dargelegt und im nachmittäglichen Workshop vertieft und praxisnahe demonstriert und diskutiert werden. Wenn in der allergrößten Not und Bedrohung immer wieder niemand da ist, der schützt, hilft oder tröstet, dann "hilft" nur noch der Ausstieg aus der Realität und die Schaffung anderer Selbstanteile. Die Abspaltung verschiedener Persönlichkeitsanteile kann auch als "Job-Sharing auf dem Weg durch die Hölle" bezeichnet werden. Kinder brauchen einen gewaltfreien Lebensraum für eine gesunde Entwicklung, ein "Naturschutzgebiet" für die verletzbaren Seelen und Körper. Wie sieht es in Deutschland mit dem Kinderschutz bei Kindswohlgefährdung aus?

Workshop Session C … 14.00 – 15.30 Uhr



Workshop 11

14.00 – 15.30 Uhr (1,5 Std.)
Session C

Das "zersplitterte Selbst” des Kindes heilen: 
Highlights aus den Behandlungsstrategien mit dissoziativen Kindern

Frances S. Waters, DCSW, LMSW, LMFT

Abstract: In diesem Workshop möchte ich übergreifende Behandlungsprinzipien beschreiben und kreative Interventionen, die im Behandlungsprozess von dissoziativen Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden können, vorstellen. Diese innovativen Interventionen umfassen insbesonders Prinzipien der Neurobiologie und Behandlungsansätze der sensumotorischen Psychotherapie, der Kunsttherapie und des EMDR, die Stabilisierung, Traumaprozessieren und Integration fördern. Die vorgestellten Strategien sollen vor allem innere Selbst-Wahrnehmung, Selbstreflektion und sinnliche Wahrnehmung verbessern. Sie sollen das individuelle Toleranzfenster verbreitern, als Vorbereitung zur Traumaprozess-Arbeit und zu wachsender Integration. Fallvignetten, Kunstwerke und eine DVD sollen diese Interventionen verbildlichen.

Abstract (engl.) | Kurzbiografie

Workshop 12

14.00 – 15.30 Uhr (1,5 Std.)
Session C

Psychotherapie mit entwicklungstraumatisierten Kindern

Elke Garbe

Abstract: Vernachlässigung. Misshandlung, sexueller Missbrauch, häufige Bindungsabbrüche und Migration in der Kindheit führen dazu, dass Kinder wichtige Schritte Ihrer Entwicklung unter hoher Stressbelastung versuchen zu bewältigen. Da sie auf die Bindungspersonen, die in der Regel gleichzeitig Täter sind, existenziell angewiesen sind, werden sie gezwungen, sich unter deren traumatisierenden Doktrin unter zu ordnen, um überleben zu können. Dies führt zu Unterwerfung und in der Folge zur Dissoziation sowohl eigener Impulse und Selbstanteile als auch zur Dissoziation der Erfahrungen mit den Bindungstätern. Bindung und Trauma sind deshalb tief miteinander verstrickt. Aus tiefenpsychologischer Sicht sprechen wir von Fragmentierung des Selbst zum Zwecke des Überlebens. Überlebensstrategien werden gebildet und immer wieder angewendet, weil sie als hilfreich erlebt werden, traumatischen Stress zu minimieren. Diese zeigen sich in den Symptomen, die später das Leben in einem nun sicheren Umfeld schwierig machen. Es kann deshalb nicht vorrangig darum gehen, diese "weg zu therapieren" oder "weg zu pädagogisieren", sondern es wird innerhalb einer tragfähigen therapeutischen Beziehung mit Bindungsqualität vor allem Verstehen, Würdigung und Empathie benötigt, damit eine Modulation und Integration traumaassoziierter Selbstanteile Schritt für Schritt möglich wird. Eine solche Arbeit setzt die Bereitschaft der TherapeutIn voraus, in Netzwerken zu arbeiten.

Workshop 13

14.00 – 15.30 Uhr (1,5 Std.)
Session C

Überlebensstrategie Dissoziation bei häuslichen und anderen Gewalterfahrungen

Lutz Besser

Abstract:
Wie bei Kindern und Jugendlichen durch Traumatisierungen in Form von Vernachlässigung, emotionaler Misshandlung, körperlicher Gewalt, sexueller Ausbeutung und sexueller Misshandlung diese erschreckende Realität zum Ausstieg aus derselben zwingt. "Als wäre ich ein Anderer oder ein Geist, der auf sich selbst herunter schaut" – charakterisiert als Slogan das Phänomen der Abspaltung unerträglicher Erlebnisse vom Bewusstsein. Um Angst, Schmerz und Leid erträglicher zu machen, ist ohne Schutz von Außen der Ausstieg aus der Realität oft der einzige Überlebensmechanismus.

Im Vortrag sollen die verschiedenen dissoziativen Phänomene bei traumatisierten Kindern und Jugendlichen anhand physiologischer und neurobiologischer Aspekte dargelegt und im nachmittäglichen Workshop vertieft und praxisnahe demonstriert und diskutiert werden. Wenn in der allergrößten Not und Bedrohung immer wieder niemand da ist, der schützt, hilft oder tröstet, dann "hilft" nur noch der Ausstieg aus der Realität und die Schaffung anderer Selbstanteile. Die Abspaltung verschiedener Persönlichkeitsanteile kann auch als "Job-Sharing auf dem Weg durch die Hölle" bezeichnet werden. Kinder brauchen einen gewaltfreien Lebensraum für eine gesunde Entwicklung, ein "Naturschutzgebiet" für die verletzbaren Seelen und Körper. Wie sieht es in Deutschland mit dem Kinderschutz bei Kindswohlgefährdung aus?

Kurzbiografie

Workshop 14

14.00 – 15.30 Uhr (1,5 Std.)
Session C

Zur Überwindung von Traumafolgestörungen in Familien - Das erstarrte Mobile

Alexander Korittko

Abstract: Ohne Frage: zu den schwersten Traumatisierungen, die Menschen erfahren können, zählen die Misshandlungen und Vernachlässigungen in der eigenen Familie. Darüber hinaus wird jedoch oft unterschätzt, wie schwer es für Eltern und Kinder auch in anderen Kontexten sein kann, mit den Auswirkungen von traumatischem Stress umzugehen. Die "Traumata von außen" werden die in diesem Workshop im Mittelpunkt der Überlegungen stehen: Überfälle, Verkehrs- oder Haushalts-Unfälle, plötzliche Krankheits- oder Todesmitteilungen, Kriegs- und Bürgerkriegserlebnisse, Brände, Hundeattacken. Das erstarrte Mobile steht als Metapher für die Wechselwirkungen der eingefrorenen familiären Interaktion und für posttraumatische dysfunktionale Bewältigungsstrategien. Es wird gezeigt, wie die erlittenen Traumata in der Arbeit mit Eltern und Kindern in einem sanften Auftauprozess gemeinsam zu einer Bewältigung geführt werden können.

Workshop 15

14.00 – 15.30 Uhr (1,5 Std.)
Session C

Traumapädagogik in Helfersystemen

Thorsten Becker, Dr. med. Harald Schickedanz, Jochen Strauß

Abstract: Die traumabewusste pädagogische Begleitung im Lebensalltag von traumatisierten Menschen ist ein wesentlicher Beitrag der Stabilisierungsarbeit. Ein dialogisches Miteinander von ambulanten, stationären und klinischen Angeboten ist die Vorstufe für zu erlangende hoch wirksame Synergie-Effekte. Wie lassen sich diese Prozesse organisieren – ohne dass "viele Köche den Brei verderben"? Erfahrungen aus der Praxis berichten und diskutieren Thorsten Becker, Harald Schickedanz und Jochen Strauß.

Workshop 16

14.00 – 15.30 Uhr (1,5 Std.)
Session C

Dissoziative Kinder erkennen, verstehen und therapieren

Jacqueline Schmid

Abstract: Traumatisierte, dissoziative Kinder zu erkennen ist nicht einfach. Oft ist das Auffälligste an hoch dissoziativen Kindern, dass sie nicht auffallen. Manchmal jedoch sind die Symptome überdeutlich. 
Wir werden in diesem workshop zunächst Auffälligkeiten zusammentragen, die bei Kindern auf Dissoziation hinweisen können. Entscheidend ist es, diese Auffälligkeiten als Symptome für Dissoziation zu erkennen und einzuordnen. 
Die äussere Sicherheit ist für Traumatherapie eine Voraussetzung. Was bedeutet diese Prämisse bei der Arbeit mit traumatisierten Kindern, die meistens noch abhängig sind von Bezugspersonen, welche für die seelischen Verletzungen verantwortlich sind?
In einem dritten Teil werden wir diskutieren, welche Techniken der Traumatherapie in den unterschiedlichen Altersstufen wirksam sind.