Samstag, 21. September 2019

Richtige und falsche Erinnerungen – Trauma, Dissoziation und Gedächtnis

Vortrag 5

09.15 – 10.00 Uhr

False Memory Syndrom – Auf den Wellen der Abwehr
Analyse eines einflussreichen Medienphänomens

Ulla Fröhling

Abstract:
Der Begriff "False Memory Syndrome" wurde 1992 in den USA erfunden und zeigt bis heute große Wirkung in vielen Ländern, obwohl die Existenz eines solche Syndroms wissenschaftlich nie belegt wurde. Die amerikanische "False Memory Syndrome Foundation" wurde gegründet von Menschen, die sich zu Unrecht des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wähnen. Die deutsche Interessengruppe trägt den Namen "False Memory e.V.".

Der Vortrag stellt Geschichte, Strategien und Protagonisten dieser Gruppen vor und analysiert die Zusammenhänge zwischen Aufdeckungen organisierter sexualisierter Gewalt in Institutionen und reaktiv aufflammendem Backlash: "Alles nicht wahr, alles nicht so schlimm, alles von TherapeutInnen eingeredet."

Kurzbiografie

Vortrag 6

10.00 – 10.30 Uhr

Psychotherapie und Rechtsprechung unvereinbar?

Veränderung der Aussage von Opferzeugen durch Psychotherapie

Dr. Brigitte Bosse

Abstract:
Psychotherapie verändere die Aussagen von Opferzeugen und dürfe deshalb keinesfalls vor einem strafrechtlichen Prozess erfolgen. Diese Fehlannahme bringt Opfer sexualisierter Gewalt und deren UnterstützerInnen in das Dilemma, ob der strafrechtlichen Verfolgung oder der individuellen Aufarbeitung und Behandlung der Folgen der Vorrang zu geben ist.

Psychotraumatologisch ausgerichtete Therapie verändert nicht die Erinnerung an Kerntatsachen. Jedoch wandelt sich deren individuelle Gewichtung und die Bewertung des Geschehens. Therapie unterstützt Opfer von Gewalt dabei, das Erlittene, das ihnen oft unfassbar vorkommt, und für das es zunächst häufig noch keine Worte gibt, zu begreifen und in Worte zu fassen. Dieser Vorgang lässt sich mit bildgebenden Verfahren an morphologischen Veränderungen im Gehirn aufzeigen.

Die gutachterliche Praxis trägt diesen neueren psychotraumatologischen Erkenntnissen jedoch nicht ausreichend Rechnung. Das Dilemma wird durch die gutachterliche Praxis verursacht, in der PatientInnen nach einer Traumatherapie  kaum eine Chance haben, in der gängigen Begutachtungspraxis als glaubhaft zu gelten. Dieses ist sowohl im Strafrecht, mehr noch aber im Sozialrecht, wo es um die Entschädigung der Opfer geht, hochproblematisch.

Kurzbiografie

Vortrag 7

11.00 – 11.30 Uhr

Traumabedingt oder iatrogen induziert? Ein wissenschaftlicher Diskurs über die Ursachen von dissoziativen Störungen


Dr. Yolanda Schlumpf

Abstract:
Die dissoziative Identitätsstörung (DIS) wird unter Fachleuten kontrovers diskutiert. Die Anhänger der "False Memory” Bewegung gehen davon aus, dass die DIS kein ernstzunehmendes Störungsbild sei, sondern lediglich auf Simulation beruhe und suggestive Therapieverfahren bei der Entstehung dieses Störungsbildes eine Rolle spielen. Traumatische Erinnerungen werden lediglich als Produkt der Phantasie (falsche Erinnerungen) betrachtet. Die Vertreter der traumabedingten Sichtweise sehen den Ursprung für die Entwicklung von dissoziativen Störungen in traumatischen Erfahrungen. Im Vortrag werden aktuelle (neuro)wissenschaftliche Studien präsentiert, die eine kritische Auseinandersetzung mit diesen zwei Standpunkten ermöglicht.

Kurzbiografie


Workshop Session C …
14.00 – 15.30 Uhr

Workshop 10

14.00 – 15.30 Uhr … 
Session C

Raus aus der Sprachlosigkeit – Argumente gegen Behauptungen der "False memory” Bewegung

Dr. Yolanda Schlumpf

Abstract: In diesem Workshop soll die Gegenüberstellung von Argumenten der "False memory” Bewegung mit den im Vortrag präsentierten wissenschaftlichen Befunden weiter vertieft werden. Gemeinsam mit den Teilnehmern soll eine kritische Auseinandersetzung der aktuellen wissenschaftlichen Befundlage zu dissoziativen Störungen erfolgen. Dabei sollen Argumentationslinien erarbeitet werden, die Behauptungen der "False memory” Bewegung in Frage stellen.

Kurzbiografie

Workshop 11

14.00 – 15.30 Uhr … Session C

Qi Gong

Dr. Harald Schickedanz

Abstract: Qi Gong und Tai Chi sind gängige Formen achtsamer Körperwahrnehmung, die entsprechend modifiziert in der stationären Psychotherapie Traumatisierter beliebte Anwendung erfahren. Der Workshop ist ausschließlich der Praxis und Selbsterfahrung gewidmet.

Kurzbiografie

Workshop 12

14.00 – 15.30 Uhr … Session C

Traumapädagogik: Das "blaue Pferd" verstehen

Thorsten Becker, Julia Bialek, Heidrun Girrulat & Martin Kühn

Abstract: Traumapädagogik bildet eine wesentliche Grundlage für die psychosoziale Versorgung traumatisierten Menschen. Sie orientiert sich an Ihren Lebenslagen und Lebenswelten. Menschen, die anhaltende Gewalt erleiden mussten, konstruieren ein sehr individuelles Bild von sich Selbst und ihrer Sicht auf die Welt um sie herum. In der traumapädagogischen Arbeit gilt es diese Bilder zu verstehen, um mit in ihnen zusammen ein korrigierendes Verständnis von sich selber u.a. durch Methoden der Narrativen Praxis zu entwickeln. Darum soll es anhand von Praxisbeispielen und methodischen Anregungen in diesem Workshop gehen.

Kurzbiografien

Workshop 13

14.00 – 15.30 Uhr … Session C

False Memory Syndrom – Auf den Wellen der Abwehr
Analyse eines einflussreichen Medienphänomens

Ulla Fröhling

Abstract: Der Begriff "False Memory Syndrome " wurde 1992 in den USA erfunden und zeigt bis heute große Wirkung in vielen Ländern, obwohl die Existenz eines solche Syndroms wissenschaftlich nie belegt wurde. Die amerikanische "False Memory Syndrome Foundation" wurde gegründet von Menschen, die sich zu Unrecht des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wähnen. Die deutsche Interessengruppe trägt den Namen "False Memory e.V.".

Der Vortrag stellt Geschichte, Strategien und Protagonisten dieser Gruppen vor und analysiert die Zusammenhänge zwischen Aufdeckungen organisierter sexualisierter Gewalt in Institutionen und reaktiv aufflammendem Backlash: "Alles nicht wahr, alles nicht so schlimm, alles von TherapeutInnen eingeredet."
Im Workshop können eigene Erfahrungen der TeilnehmerInnen diskutiert werden.

Kurzbiografie

Workshop 14

14.00 – 15.30 Uhr … Session C

Den Körper (wieder) bewohnbar machen. Tanz- und Körperrituale zur Resilienzstärkung für komplex Traumatisierte

Dr. med. Margarethe Philipp

Abstract: Viele komplex Traumatiserte leben in großer innerer Distanz zu ihrem Körper. Neben der traumatherapeutischen Behandlung zeigt sich der nonverbale Ansatz im meditativen Tanz als hilfreich. "Dort wo die Sprache nicht mehr hinreicht, beginnt der Tanz zu sprechen." (Wosien, 2008:102).
Der Ansatz geht zurück auf Hannelore Eibach, die nach Begegnung mit dem Tänzer und Choreografen Bernhard Wosien, meditativen Tanz in die Psychotherapie integrierte, dies auch über Jahre u.a. bei den Lindauer Psychotherapiewochen vorstellte.

Einfache ritualisierte Tanzformen in Kreis oder Reihe helfen am ehesten über die Schwelle der Bewegungsangst. Mit Hilfe von wenigen unkomplizierten Schritten, die sich gleichförmig wiederholen, wird die Aufmerksamkeit vom Kopf in die Füße gelenkt, Körper und Musik rhythmisch koordiniert, begleitet von passenden Affirmationen, die Bewegungssymbolik erklärend und positive Bilder anregend. Damit werden 3 Sinneskanäle angesprochen: Hören, Sehen, selbst gesteuerte Bewegungen. Dies sorgt für Präsenz im Hier und Jetzt und dem vielleicht ersten Gefühl einer Selbstwirksamkeit.

Die aus dem Tritt Geratenen finden wieder Schritt, ein gehbares Schrittmaß. Der Tanz im Kreis schenkt Verbundenheit, ohne fest zu binden, gibt Bewegungsfreiheit, ohne den Halt zu verlieren. Getragen vom Rhythmus wird die Einheit von Körper Geist und Seele sinnlich erfahrbar, in eine periodisch wiederkehrende Ordnung eingebunden. Die äußere Orientierung gibt Sicherheit, ermöglicht den PatientInnen Vertrauen wieder aufzubauen und daraus neue sie tragende Wege zu entwickeln.

Es geht nicht um den Konsum möglichst vieler Tänze, sondern um Wiederholung. Dadurch ist Einüben möglich, und jedes Mal, wenn derselbe Tanz getanzt wird, wird er anders erlebt, vielleicht vertiefter, vielleicht umfassender.

Dieser ganzheitliche, therapeutische Ansatz ermöglicht den Traumatisierten, den inneren Kindern, den Ego- States, wieder "Wohnrecht" in ihrem Körper zu beanspruchen, ihn wieder zu beziehen und beim Tanzen mit beiden Füßen Kontakt zur Erde zu haben, verwurzelt zu sein und aus sicherem Stand heraus zu reflektieren. Bedenken wir, dass viele Kleinkinder schon tanzen, bevor sie laufen lernen.

In der Tagesklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Dernbach wird dieser Ansatz mit Erfolg praktiziert.

Der Workshop ermöglicht neben theoretischen Überlegungen (Symbolik, Wirkweise, Vorstellung der Wirksamkeitsstudie, Hintergründe) eigenes Erleben.
Mitzubringen sind bequeme Kleidung und Schuhe, Neugier und ggf. Freude am Barfußlaufen.

Kurzbiografie